Was die Plattform mit unserem Körperbild, unserem Medienverhalten und unserer Wahrnehmung macht
TikTok ist längst mehr als eine Plattform für Tanzvideos. Ob politische Debatten, Buchempfehlungen oder Lifestyletrends: Hier entsteht tagtäglich ein Spiegel unserer digitalen Gesellschaft. Gerade für junge Nutzer:innen ist TikTok ein Ort, an dem Meinungen gebildet, Identitäten entwickelt und leider auch verunsichert werden. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick auf problematische und empowernde Seiten der Plattform und darauf, wie wichtig medienkritisches Denken dabei ist.
Körperkult in Endlosschleife: Filter, Trends und toxische Ideale
TikTok ist voller Trends, einige davon harmlos, andere nicht. Immer wieder tauchen Filter auf, die Gesichter oder Körper verändern, etwa die sogenannten Chubby AI oder Skinny AI Filter. Was zunächst spielerisch wirkt, kann tief verunsichern. Denn oft entsteht der Eindruck, der eigene Körper sei nur dann „richtig“, wenn er einem bestimmten, meist unerreichbaren Ideal entspricht.
Trends wie What I eat in a day, Glow-up-Videos oder Detox-Challenges verstärken diesen Effekt. Sie tarnen sich als Fitness- oder Wellness-Inhalte, transportieren aber in Wahrheit toxische Schönheitsnormen. Besonders junge Menschen vergleichen sich mit diesen Idealen, oft mit gefährlichen Folgen für das Selbstwertgefühl.
TikToks Schutzmaßnahmen und ihre Grenzen
TikTok ist sich dieser Problematik bewusst. Die Plattform blendet bei bestimmten Begriffen Warnhinweise ein oder verweist auf Hilfsangebote. Manche Begriffe werden sogar komplett blockiert.
Doch das reicht oft nicht aus. Inhalte, die problematische Botschaften enthalten, gelangen weiterhin in den For You-Feed, geschickt verpackt als harmlose Fitnessvideos oder Ernährungstipps. Hinter dem Hashtag #SkinnyTok etwa verbirgt sich eine Welt, in der extreme Schlankheit glorifiziert wird.
Medienkompetenz bedeutet deshalb auch:
- Inhalte hinterfragen, gerade, wenn sie motivierend oder gesund wirken
- Algorithmen verstehen und kritisch nutzen
- Hilfe holen, wenn Social Media belastet
Zwischen Empowerment und Konsumdruck: TikTok-Communities
TikTok ist nicht nur ein Ort der Unsicherheiten, es gibt auch viele positive Räume: BookTok, DIY-Tok, AuthorTok, MoneyTok oder SustainabilityTok. Diese Communities inspirieren, vernetzen und motivieren. Besonders junge Nutzer:innen finden hier neue Interessen, Ideen und Gleichgesinnte.
Aber auch hier lohnt sich ein kritischer Blick. Am Beispiel von BookTok wird deutlich: Neben spannenden Buchempfehlungen werden auch fragwürdige Inhalte verbreitet. Dark Romance ist ein Trend, bei dem problematische Beziehungen romantisiert werden, nicht selten ohne Einordnung oder Altersbegrenzung.
Zudem kann BookTok das Lesen in ein Konsumthema verwandeln: Bücher als Deko, Leselisten als Statussymbole und weniger Raum für echte Auseinandersetzung mit Inhalten.
Der Algorithmus entscheidet (fast) alles
Was man auf TikTok zu sehen bekommt, wird maßgeblich vom Algorithmus bestimmt. Er lernt durch Interaktionen, merkt sich Vorlieben und liefert genau das, was gefällt. Das ist bequem, aber auch gefährlich. Denn so entstehen Filterblasen, die die eigene Sichtweise bestätigen und andere Perspektiven ausblenden.
Deshalb ist es wichtig, bewusst zu scrollen, neue Themen zuzulassen und sich nicht ausschließlich vom Algorithmus lenken zu lassen.
Fazit: TikTok trägt Verantwortung – und wir auch
TikTok ist ein mächtiges Medium mit enormer Reichweite. Es bietet kreative Möglichkeiten, wertvolle Impulse, aber auch riskante Trends und problematische Inhalte. Plattformen wie TikTok tragen eine zentrale Verantwortung, insbesondere wenn es um junge Nutzer:innen geht. Doch allzu oft bleiben Schutzmechanismen lückenhaft, Inhalte werden unzureichend moderiert und Risiken verharmlost.
Umso wichtiger ist ein kritischer und reflektierter Umgang mit der Plattform.
Was es dafür braucht:
- Inhalte einordnen
- Trends hinterfragen
- sich austauschen
- Grenzen erkennen
Gerade für junge Menschen sind Gesprächsanlässe, Orientierung und Räume zur Reflexion entscheidend. Medienkompetenz allein ersetzt keine Regulierung, aber sie befähigt Nutzer:innen, sich bewusst und kritisch in digitalen Räumen zu bewegen.
Plattformverantwortung und Medienbildung müssen Hand in Hand gehen.